Navigieren in Biel

Markus Brentano, Leiter Stadtgärtnerei Biel

Die Klimaerwärmung macht sich im dicht bebauten Stadtzentrum besonders stark bemerkbar. Markus Brentano, Leiter der Bieler Stadtgärtnerei, kennt die Auswirkungen der steigenden Temperaturen auf die Vegetation. Vor allem einige Baumarten leiden.

«Wir passen unsere Methoden an»

Markus Brentao, Leiter Stadtgärtnerei Biel
Markus Brentano, Leiter Stadtgärtnerei Biel

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Vegetation in der Stadt aus?

Wir sehen Veränderungen vor allem bei den Bäumen. Meine Vorgänger haben vor 50 bis 80 Jahren viele Birken und Bergahorne gepflanzt. Diese Arten vertragen die heutigen Temperaturen nicht gut – vor allem in der Innenstadt mit ihrer dichten Bebauung, der Wärmeabstrahlung, den versiegelten Böden und der schlechteren Durchlüftung. Hier staut sich die Hitze im Sommer.

Machen Ihnen nur die Bäume Sorgen?

Bei den genannten Arten sieht man die Folgen besonders gut. Und in Zukunft werden auch die Buchen und die Linden vermehrt Symptome von Sonnenbrand zeigen. Sträucher sind weniger problematisch, die sind nicht so langlebig. Ein Stadtbaum hingegen sollte etwa 100 Jahre leben. Da müssen wir uns heute überlegen, welche Arten dann noch gedeihen.

Welche Alternativen gibt es zu Bergahorn, Birke und Linde?

Wir müssen sie durch klimaresistentere Arten ersetzen – wenn möglich durch einheimische wie Hainbuche, Feldahorn oder Zerreiche. Daneben kommen Arten in Betracht, die man in Italien, Spanien und Südfrankreich antrifft. Mit ihnen machen wir gute Erfahrungen. Kein Wunder, denn in der Bieler Innenstadt haben wir heute das Klima, das Montpellier vor 50 Jahren hatte. Deshalb gedeihen hier nun auch Kräuselmyrte, Seidenbaum, Schirmkiefer, Mandelbaum und Steineiche.

Südländische Arten für Biel: Ist das sinnvoll?

Wir pflanzen ja nicht Bäume aus den Tropen an. An Arten aus dem Mittelmeerraum können sich unsere Insekten und Kleinlebewesen besser anpassen. Deshalb bevorzugen wir Arten von dort – beispielsweise den Maulbeerbaum, den Zürgelbaum und den Französischen Ahorn. Oder einheimische Arten, die an sehr warmen und trockenen Standorten gedeihen. Seit 2 Jahren testen wir etwa erfolgreich den Schneeballblättrigen Ahorn, der am Jurasüdfuss heimisch ist.

Auch Wetterextreme wie starke Sturmwinde treten häufiger auf. Wie reagieren Sie darauf?

Bäume, die bei heftigem Wind viel Totholz abwerfen, sind an stark frequentierten Orten nicht ideal. Deshalb pflanzen wir Arten wie Pappeln oder Weiden nicht mehr in der Innenstadt.

Wie beeinflusst die Klimaerwärmung sonst die Arbeit der Stadtgärtnerei?

Wir müssen Sportplätze und Blumenrabatte vermehrt wässern. Gut bewährt hat sich ein im Boden der Pflanztröge und -kisten integriertes Wasserreservoir. Bei Jungbäumen binden wir mit Wasser gefüllte Kunststoffsäcke an den Stamm, die das Wasser langsam abgeben. Wenn man direkt mit dem Schlauch bewässert, verliert man viel Zeit und das meiste Wasser fliesst oberirdisch weg. Bei Baumpflanzungen belassen wir möglichst viel unversiegelten Boden um den Baum herum und sähen darauf Blumenrasen und -wiesen an. Wir passen unsere Methoden an. Aktuell experimentieren wir zusammen mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften auch mit einheimischen Wildpflanzen aus Regiosaatgut als Alternative zu den Zuchtpflanzen für die Blumenrabatten.

Wie können Private ihren Garten für die Klimaerwärmung fit machen?

Man sollte versiegelte Böden vermeiden und der Natur möglichst viel Entfaltungsraum lassen. Pflanzen, die von selbst wachsen, sind an den Standort angepasst und müssen auch nicht bewässert, gedüngt oder chemisch behandelt werden wie ein grüner Rasen. Was wir Unkraut nennen, kann auch schön blühen und bietet vielen Tieren einen wertvollen Lebensraum. Mit Wildstauden-Mischpflanzungen können wir die Biodiversität fördern. Wir müssen dabei nur darauf achten, dass wir die Verbreitung von Neophyten verhindern.

Links zum Thema:

Markus Brentano

Markus Brentano ist seit 1988 bei der Stadtgärtnerei tätig, die er seit 2011 leitet. Er hat Ausbildungen zum Gärtner und zum Landschaftsarchitekten sowie eine Weiterbildung in Umweltwissenschaften absolviert.

Die Stadtgärtnerei unterhält ca. 1 Mio. Quadratmeter Grünflächen. Diese gehören zu rund 45 Parks, 60 Schulen, Kindergärten und Krippen sowie 27 Fussballplätzen (darunter 6 mit Kunstrasen). Zu den Aufgaben gehört auch die Pflege der Friedhöfe und der Verkehrskreisel. Jedes Jahr werden etwa 150 000 Pflanzen für die Blumenrabatte und die etwa 200 Pflanzentröge und 100 Pflanzenkisten aufgezogen. Ausserdem kümmert sich die Stadtgärtnerei um rund 600 Sitzbänke, 60 Spielplätze und um die etwa 8300 Bäume auf öffentlichem Grund. Pro Jahr werden rund 80 Bäume ersetzt und 20 neue Baumstandorte angelegt.