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Andreas Hirt, Leiter des Bereichs Bau und Netzservices des Energie Service Biel/Bienne (ESB)

Hitzewellen und Trockenheit sind mögliche Folgen des Klimawandels, aber auch extreme Niederschläge und Hochwasser. Dies muss bei der Planung der Wasserversorgung von morgen berücksichtigt werden, sagt Andreas Hirt vom Energie Service Biel/Bienne. Der ESB baut derzeit ein neues Seewasserwerk.

«Heute die Wasserversorgung von morgen planen»

Andreas Hirt, Leiter des Bereichs Bau und Netzservices des Energie Service Biel/Bienne (ESB)
Andreas Hirt, Leiter des Bereichs Bau und Netzservices des Energie Service Biel/Bienne (ESB)

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Trinkwasserversorgung von Biel und Nidau aus?

Heute hat er noch keine Auswirkungen. Aber wir bauen Anlagen mit einer langen Lebensdauer. Wenn wir heute planen und investieren, müssen wir also vorausschauen, was in 50 oder 80 Jahren sein wird. Dabei müssen wir die möglichen Auswirkungen des Klimawandels wie Hitzewellen, Trockenheit, Starkniederschläge oder Hochwasser berücksichtigen. Aber auch andere Faktoren, etwa dass immer mehr Menschen in unserem Land leben. Sie brauchen Wasser und verursachen Emissionen – genauso wie die Wirtschaft und die Landwirtschaft.

Haben die Dürreperioden und Hochwasserereignisse der letzten Jahre die Wasserversorgung noch nicht beeinträchtigt?

Natürlich steigt der Wasserbedarf in einem trockenen und heissen Sommer. Grosse Regenmengen in kurzer Zeit sind aber oft problematischer. Die Kläranlagen können sie nicht bewältigen. Dadurch gelangen viele Schmutzstoffe ungefiltert in die Flüsse und Seen – auch in den Bielersee, der rund 20 Prozent der Fläche der Schweiz entwässert. Dazu kommt, dass die Wassertemperaturen in vielen Gewässern schon heute höher sind als früher. Das begünstigt die Vermehrung von unerwünschten Bakterien und Algen.

Ist das für den ESB ein Problem? Das von Ihnen gelieferte Frischwasser stammt ja zum grössten Teil aus dem Bielersee.

Wir können mit der bestehenden Anlage derzeit noch einwandfreies Trinkwasser aufbereiten. Aber wir müssen wie gesagt bereits die Zukunft planen. Deshalb bauen wir in Ipsach ein neues Seewasserwerk. Es wird technisch und konzeptionell die modernste Anlage in Europa sein und dadurch viel leistungsfähiger, betriebssicherer, umweltfreundlicher und energieeffizienter als die heutige Anlage.

Inwiefern?

Es ist für die Versorgung einer wachsenden Bevölkerung ausgelegt und verfügt über vier voneinander unabhängige Betriebsstrassen. Auch wenn eine davon ausfällt, liefert die Anlage noch genug Wasser für den Regelbedarf. Dank einer zusätzlichen Reinigungsstufe mit dem Umkehrosmose-Verfahren werden wir auch die schädlichen Abbauprodukte des Fungizids Chlorothalonil aus der Landwirtschaft und andere problematische Spurenstoffe herausfiltern können. Generell kann man sagen, dass die neue Anlage auch bestes Trinkwasser produzieren wird, falls sich die Wasserqualität im Bielersee verschlechtert – zum Beispiel als Folge des Klimawandels. Die neue Anlage ist auch umweltfreundlicher: Wir werden weniger chemische Hilfsstoffe einsetzen als bisher und die herausgefilterten Stoffe in einer betriebseigenen Kläranlage behandeln.

Bis zum Ende des Jahrhunderts werden die Gletscher grösstenteils verschwunden sein. Was bedeutet das für die Wasserversorgung der Schweiz?

Was mit Flüssen passiert, die nicht von Gletscherwasser gespeist werden, sieht man in südlicheren Ländern: Viele trocknen im Sommer beinahe oder ganz aus. Das könnte auch in der Schweiz vermehrt geschehen. Ohne die Gletscher als natürliche Wasserspeicher werden wir deshalb in Zukunft die bestehenden und neue Stauseen dafür brauchen, um unsere Flüsse und Seen im Sommer mit Wasser zu versorgen. Aber dann würde uns weniger Wasser für die Stromproduktion im Winter zur Verfügung stehen. Man kann das gleiche Wasser nicht zweimal brauchen.

Link zum Thema:

https://www.esb.ch/de/esb/projekte/erneuerung-seewasserwerk-ipsach/

Andreas Hirt

Andreas Hirt ist Leiter des Bereichs Bau und Netzservices des Energie Service Biel/Bienne (ESB) und in dieser Funktion verantwortlich für den Bau des neuen Seewasserwerks des ESB in Ipsach. Daneben setzt er sich im Vorstand des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfachs (SVGW) auf nationaler Ebene für die Interessen der Wasserversorgungen ein.

Der ESB ist der führende Energie- und Wasserversorger in der Region Biel. Er versorgt die Städte Biel und Nidau mit Frischwasser, das zu 92,2 % aus Seewasser aufbereitet wird. Der Rest stammt aus Grundwasser und Quellwasser. Der durchschnittliche Wasserverbrauch in Schweizer Haushalten beträgt 142 Liter pro Tag und Person. Rechnet man den Frischwasserverbrauch der Wirtschaft mit ein, beträgt der tägliche Bedarf pro Person rund 250 Liter.